Retrofitting lohnt sich mit den richtigen Partnern
Ein gut ausgestatteter Maschinenpark, der regelmässig ein technologisches Update erfährt, ist das Rückgrat eines jeden produzierenden Betriebs. Die „Verjüngung“ erfolgt meist durch die Beschaffung von Neumaschinen, oft aber auch durch Maschinen, die einem umfassenden Retrofit unterzogen wurden. Und damit in ein zweites Maschinenleben starten, wie die Rundschleifmaschine Ceres 330 bei der Karl Bruckner GmbH, die vom Retrofit-Spezialisten HDC Huttelmaier runderneuert wurde. Mit an Bord: der CNC- und Softwarehersteller NUM.
Mit seiner Idee der mitlaufenden Zentrierspitze brachte Karl Friedrich Bruckner vor über 100 Jahren etwas Grosses ins „Rotieren“. Heute ist bei der Karl Bruckner GmbH im schwäbischen Weinstadt bereits die dritte Generation in Verantwortung für die Fertigung von hochpräzisen Zentrierspitzen zum Drehen und Schleifen sowie von Stirnfuttern, Stirnmitnehmern und Pinolen. Die Produkte gehen unter anderem als Erstausstattung an namhafte deutschen Maschinenhersteller, zudem an Kunden in aller Welt.
Im kürzlich fertiggestellten Neubau kümmern sich auf rund 6.500 m2 64 Mitarbeiter um alle Kundenbelange, davon 35 gut ausgebildete Fachkräfte in der Fertigung. Die Anforderungen sind hoch, gilt es doch, die für die Spannmittel geforderte hohe Präzision wiederholgenau zu leisten. Gefertigt wird in allen Bearbeitungsarten auf Maschinen, die diese hohe Präzision mit hoher Prozessstabilität leisten können. Dazu gehörte bis dato auch die 2004 beschaffte Universal-Innen- und Aussenrundschleifmaschine Ceres 330 aus dem Hause Schaudt Mikrosa BWF, die für Werkstücke bis 300 mm Durchmesser konzipiert worden war.
Fertigungsmeister Marc Sigle ist als Verantwortlicher für den reibungslosen Ablauf in der Fertigung nicht nur für die Bearbeitungsleistungen der Maschinen zuständig, sondern auch für deren Beschaffung und Austausch mit verantwortlich. Als sich auf der Ceres 330 die nötige Genauigkeit nur noch schwer herstellen liess, spielte Marc Sigle die Möglichkeiten durch: „In Sachen Masshaltigkeit und Prozessstabilität war die Ceres über die Jahre vorbildlich. Die Maschine hat einen relativ einfachen Aufbau, war aber perfekt auf unser Produkt abgestimmt und lief bei uns all die Jahre ohne Probleme als reine Produktionsmaschine“, erinnert sich Sigle, der mehrere Jahre lang selbst an der Ceres gearbeitet hat und sie in- und aus auswendig kennt. Ein Vorteil in jeder Hinsicht, wie sich herausstellte.
Beim Kauf war die Ceres 330 eine der letzten Maschinen ihrer Baureihe gewesen. Das gesamte Maschinenprogramm des Herstellers wurde danach komplett eingestellt. Als schliesslich weder Ersatzteile noch Service mehr verfügbar waren, konnte der kompetente Fertigungsleiter Sigle in den vergangenen Jahren vieles selbst machen. Für die Entscheidung, keine neue Maschine zu beschaffen, sondern die Ceres 330 einem Retrofit zu unterziehen, spielte laut Marc Sigle der Kostenfaktor eine grosse Rolle.
Im Vergleich zu einer Neumaschine ist ein Retrofit rund 50 Prozent günstiger als eine Neumaschine. Aber wenn man alle Kosten bedenkt, dann liegt der Ersparnisfaktor sogar noch höher. Denn die Möglichkeit, vorhandene Werkzeuge und Schleifspindeln weiter nutzen zu können, darf man dabei nicht ausser Acht lassen. „Wir hatten eine Vielzahl passender Werkzeuge und noch vier hochwertige Schleifspindeln im Wert von mehreren 10.000 Euro am Lager, die wir bei einem Neukauf nicht weiter hätten nutzen können. Das war ein gewichtiges Argument für einen Retrofit“, sagt Sigle.
Weitere Argumente konnte Jörg Huttelmaier liefern, Inhaber und Geschäftsführer beim Retrofitter und Sondermaschinenbauer HDC Huttelmaier, den Marc Sigle bereits von einem erfolgreich durchgeführten Teilretrofit kannte. Im eigenen Maschinenbauwerk in Schorndorf-Weiler – nur rund 12 km von Bruckner entfernt – werden bei HDC Huttelmaier bereits in der dritten Familiengeneration gebrauchte Schleifmaschinen auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Das grosse Huttelmaier-Team von Spezialisten für Wartung, Modernisierung und Überholung von Werkzeugmaschinen und Anlagen, und, wo nötig, qualifizierte Zulieferer sorgen bei jedem Projekt für die fachgerechte mechanische, geometrische und elektrische Komplettüberholung.
Herausforderung Retrofit
Die generelle Frage, ob sich das Retrofitting alter Maschinen lohnt, beantwortet auch Jörg Huttelmaier positiv. „Für einen Retrofit spricht neben den geringeren Kosten unter anderem, dass der Maschinenbediener die Maschine gut kennt und daher keine Einarbeitungszeit benötigt. Der Platzbedarf bleibt gleich, in der Regel kann das Fundament weiter benutzt werden“, sagt Jörg Huttelmaier und fügt hinzu: „Nachhaltigkeit und Recycling sind heute wichtige Themen. Unter Umweltgesichtspunkten ist ein Retrofit allemal eine gute Sache, denn der CO2-Fussabdruck ist wesentlich geringer als bei einer Neumaschine.“
„Beim Retrofit geht es nicht darum, alle alten Teile einfach durch neue zu ersetzen“, fährt Jörg Huttelmaier fort. „Vielmehr muss mit Augenmass und Erfahrung entschieden werden, welches Verfahren wo zum Einsatz kommt. Zu den Abläufen eines Retrofits gehört bei uns zu Beginn immer eine detaillierte Befundaufnahme der Maschine und eine Dokumentation aller Schäden. Die Maschine wird dafür komplett auseinander gebaut. Die einzelnen Massnahmen und Schritte der Generalüberholung und die Erfordernisse des Kunden werden dann in einem Pflichtenheft festgehalten, das dann mit dem Kunden abgestimmt wird.“
Im Fall der Ceres 330 war die grosse Herausforderung wie sich herausstellte nicht der Zustand der Maschine, sondern die Anforderungen an die Bearbeitungsprogramme, sprich: die Steuerung. Der Ersatz der alten Steuerung durch eine neue desselben Herstellers war zunächst angedacht. Doch die Programmanpassungen, die für Bruckner unerlässlich waren, hätten einen immensen Programmieraufwand erfordert, denn es wurden unter anderem spezielle Features für das Innenschleifen und das Abrichten benötigt. Und das war mit den in sich geschlossenen Softwarepaketen, die dieser Hersteller zur Verfügung stellte, nur zu genauso immensen Kosten möglich gewesen.
Die HDC-Spezialisten hatten sich vor Projektbeginn vor Ort ein Bild von den Anforderungen gemacht. „Wir haben bei HDC eigene Programmierer, die für die verschiedensten Steuerungen Programme schreiben. Doch in diesem Fall gingen der Aufwand und die damit verbundenen Kosten über das normale Mass weit hinaus“, sagt Jörg Huttelmaier. „Unsere Einschätzung war, dass wir einen Partner im Bereich CNC-Steuerung und Software brauchten, dessen System umfassend flexibel und offen genug war, um die vielfältigen Bearbeitungsanforderungen, die Bruckner an die Ceres 330 stellte, umsetzen zu können.“
Jörg Huttelmaier nutzte für diese Problemstellung seine Kontakte zu Marc Riedl, Vertriebsverantwortlicher für Süddeutschland des Steuerungs- und Softwareherstellers NUM. Die intensiven Gespräche ergaben, dass NUM für den Einsatzfall bei Bruckner genau der richtige Partner war.
Steuerungssoftware, die keine Wünsche offenlässt
NUM ist als Hersteller von High-End CNC-Lösungen weltweit präsent und besonders in den Märkten Asien, USA, Frankreich und den skandinavischen Ländern erfolgreich. In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist das Unternehmen vor allem für seine Steuerungssoftware bekannt, die in unterschiedlichen Varianten für Fräs-, Dreh- oder Schleifbearbeitungen, aber auch für Verzahnungen verfügbar ist.
Das Schweizer Unternehmen mit Hauptsitz in Teufen bietet eine breite Palette perfekt aufeinander abgestimmter Produkte wie CNC, Antriebsverstärker und Motoren. Dazu kommen Schulungs-, Support- und Serviceleitungen. Die NUM CNC-Steuerungen zeichnen sich durch eine völlige Offenheit des Systems für den Bediener aus und ermöglichen ihm ein einfaches Umsetzen seines Know-hows und eine perfekte Anpassung an die verschiedensten Maschinen. Damit die Flexibilität voll ausgenutzt werden kann, stellt NUM entsprechende Entwicklungstools zur Verfügung oder aber die NUM-Mitarbeiter realisieren die Sonderfunktionen nach Kundenvorgabe und setzten diese in Betrieb.
Bei NUM steht grundsätzlich der Bedarf des Kunden im Mittelpunkt. Das bedeutet, dass die unterschiedlichen Masken zwar fertig konfiguriert sind, aber je nach Einsatz angepasst werden können. Ein Team von Spezialisten bei NUM kümmert sich um diese Anpassungsarbeit. „Unsere skalierbaren und flexiblen CNC-Systeme der Serie Flexium+ eignen sich ausgezeichnet für den Retrofit, denn sie lassen sich perfekt an jeden Bedarf und an jede Maschine anpassen“, führt Marc Riedl aus. „Mit seiner Unterstützung von über 200 Achsen, mehr als 40 Kanälen, 4.000 EAs, mehr als 1 GB SPS-Speicher und über 30 MB CNC Anwenderspeicher ist Flexium+ problemlos in der Lage, auch die anspruchsvollsten Anwendungen zu steuern. Wir konnten also auch problemlos die vielfältigen Anforderungen von Bruckner erfüllen und jede gewünschte Bearbeitung integrieren.“
NUM unterhält drei unabhängig voneinander arbeitende Technologiezentren mit Applikationsabteilungen, in denen kundenspezifische Lösungen erarbeitet werden, eines davon im schwäbischen Holzmaden. „Eine Besonderheit ist, dass unsere drei Technologiezentren in regem Austausch untereinander sind“, sagt Marc Riedl. „Bei jeder der jährlich aufgelegten neuen Versionen werden daher wiederkehrende Kundenanpassungen integriert, lediglich sehr kundenspezifische Details sind hier aussen vor. Auf diese Weise sind unsere Systeme dem Markt immer einen Schritt voraus.“
Das bei Bruckner eingesetzte Softwarepaket ist die Werkstattprogrammierlösung NUMgrind. Dieses bietet im Schleifen eine schier unendliche Vielfalt an Möglichkeiten und enthält viele fertige Features für das Rund- und Unrundschleifen sowie für das Abrichten, die vom Bediener mit intuitiver Werkstattprogrammierung und 3D-Visualisierung einfach an die speziellen Schleifbedürfnisse angepasst werden können.
Die Retrofitmassnahmen im Detail
Die Ceres 330 war, was Blechteile wie die Umhausung anging, in einem relativ gepflegten Zustand, so dass hier eine Neulackierung ausreichte. Im Zuge der mechanischen Überarbeitung wurden in der X1- und der Z1-Achse die Kugelgewindetriebe und die Rollenumlaufeinheit erneuert. In Werkstückspindelschlitten und Werkstückspindelstock wurden verschlissene und defekte Teile ausgetauscht, ebenso in der Pneumatik, der Öl-Luft-Schmierung und der Kühlmitteleinrichtung. Neue absolute Messsysteme wurden installiert
Die elektrische Ausstattung mit Schaltschrank, Verkabelung und Bedienpult wurde komplett erneuert. Hinzu kamen neue Antriebe und Elektromotoren sowie eine neue CNC-Steuerung mit passender Software. Acht Monate dauerte der gesamte Retrofit letztendlich. Seit Juli 2022 ist die Ceres 330 bei Bruckner wieder voll im Einsatz.
Marc Sigle ist sehr zufrieden mit seiner neuen Maschine. „Zum einen ist die Maschine in Sachen Prozesssicherheit, Wiederholgenauigkeit und Präzision wieder so zuverlässig wie eine neue Maschine. Die Software unterstützt vor allem beim Kegelschleifen, im Bereich Stirnpendelschleifen und dem Schleifen von beiden Seiten in einer Weise wie es die alte Steuerung nicht konnte. Radius- und Konturenschleifen sind jetzt problemlos möglich. Die Schleifprozesse sind variabler, die Programmierung schneller. Der Support vor Ort war super, wir haben mit NUM aber auch sehr viel über Team Viewer kommuniziert.“
Das Fazit der drei Partner? „Ein gutes Zusammenspiel“, lobt Marc Sigle das gemeinsame Projekt. „Die Nähe zum Retrofitter HDC und die damit einhergehende Möglichkeit, jederzeit Versuche zu fahren war natürlich einzigartig. Marc Riedl ergänzt: „Wir haben während des Projekts ein gutes partnerschaftliches Verhältnis aufgebaut und die Anregungen und Anforderungen des Kunden während des Prozesses eingebaut. In Zukunft können wiederum Neuentwicklungen aus unserem Haus problemlos bei Bruckner eingespielt werden. So bleibt die Steuerung immer up-to-date.“ Und Retrofitter Jörg Huttelmaier fasst zusamen: „Die Herausforderungen waren bei diesem Projekt ziemlich gross. Doch wenn wie hier die richtigen Partner mit dem besten Know-how zusammenkommen, dann kann eigentlich nichts schiefgehen.“
(September 2023)